Eine Sammlung an Klavierstücken, deren melancholische Stimmung durch ihren unterschiedlichen musikalischen Duktus tiefgründig wird...
... zu Frank Wedekinds Moritz-Monolog aus "Frühlings Erwachen"
"Besser ist besser. – Ich passe nicht hinein. Mögen sie einander auf die Köpfe steigen. – Ich ziehe die Tür hinter mir zu und trete ins Freie. – Ich gebe nicht so viel darum, mich herumdrücken zu lassen. Ich habe mich nicht aufgedrängt. Was soll ich mich jetzt aufdrängen! – Ich habe keinen Vertrag mit dem lieben Gott. Mag man die Sache drehen, wie man sie drehen will. Man hat mich gepresst. – Meine Eltern mache ich nicht verantwortlich. Immerhin mussten sie auf das schlimmste gefasst sein. Sie waren alt genug, um zu wissen, was sie taten. Ich war ein Säugling, als ich zu Welt kam – sonst wär ich wohl auch noch so schlau gewesen, ein anderer zu werden. – Was soll ich dafür büßen, dass alle andern schon da waren! […] Man wird ganz per Zufall geboren […] – es ist zum Totschießen! […] Ich bin froh, ohne Bitterkeit zurückblicken zu dürfen, wie manch schönen Abend ich mit Melchior verlebte! – unter den Uferweiden; beim Forsthaus; am Herweg draußen, wo die fünf Linden stehen; auf dem Schlossberg, zwischen den lauschenden Trümmern der Runenburg. – Wenn die Stunde gekommen, will ich aus Leibeskräften an Schlagsahne denken. Schlagsahne hält nicht auf. Sie stopft und hinterlässt dabei doch einen angenehmen Nachgeschmack… Auch die Menschen hatte ich mir unendlich schlimmer gedacht. Ich habe nicht einen gefunden, der nicht sein Bestes gewollt hätte. Ich habe manchen bemitleidet um meinetwillen. – es ist zum Totschießen! Das Wetter zeigte sich wenigstens rücksichtsvoll. Den ganzen Tag sah es nach Regen aus und nun hat es sich doch gehalten. – Es herrscht eine seltene Ruhe in der Natur. Nirgends etwas Grelles, Aufreizendes. Himmel und Erde sind wie durchsichtiges Spinnewebe. Und dabei scheint sich alles so wohl zu fühlen. Die Landschaft ist lieblich wie eine Schlummermelodie – 'schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein', wie Fräulein Snandulia sang. Schade, dass sie die Ellbogen so ungraziös hält! […] Es muss ein sonderbares Empfinden sein – ein Gefühl, als würde man über Stromschnellen gerissen – Ich werde es niemandem sagen, dass ich unverrichteter Sache wiederkehre. Ich werde so tun, als hätte ich alles das mitgemacht … Es hat etwas Beschämendes, Mensch gewesen zu sein, ohne das Menschlichste kennengelernt zu haben. […] Ich will heute nicht wieder weinen. Ich will nicht wieder an mein Begräbnis denken – Melchior wird mir einen Kranz auf den Sarg legen. Pastor Kahlbauch wird meine Eltern trösten. Rektor Sonnenstich wird Beispiele aus der Geschichte zitieren. – Einen Grabstein werde ich wahrscheinlich nicht bekommen. Ich hätte mir eine schneeweiße Marmorurne auf schwarzem Syenitsockel gewünscht – ich werde sie ja gottlob nicht vermissen. Die Denkmäler sind für die Lebenden, nicht für die Toten. Ich brauchte wohl ein Jahr, um in Gedanken von allen Abschied zu nehmen. Ich will nicht wieder weinen. […] Ich wandle zum Altar wie der Jüngling im alten Etrurien, dessen letztes Röcheln der Brüder Wohlergehen für das kommende Jahr erkauft. – Ich durchkoste Zug für Zug die geheimnisvollen Schauer der Loslösung. Ich schluchze vor Wehmut über mein Los. – Das Leben hat mir die kalte Schulter gezeigt. Von drüben her sehe ich ernste freundliche Blicke winken: […] – Mitgefühl, mich mit weichen Armen erwartend … Eure Gebote gelten für Unmündige; ich trage mein Freibillet in mir. Sinkt die Schlage, dann flattert der Falter davon; das Trugbild geniert nicht mehr. – Ihr solltet kein tolles Spiel mit dem Schwindel treiben! Der Nebel zerrinnt; das Leben ist Geschmacksache."
[Quelle: Krause, T. (Hrsg.): Frank Wedekind. Frühlings Erwachen. Ditzingen 2016. S. 43ff.]
Zu "Ein Abschied" von Arno Holz (1863-1929)
Sein Freund, der Türmer, war noch wach,
Wie Silber gleißte das Rathausdach,
Und drüber stand der Mond.
Er wußte kaum, wie schwer er litt,
Doch schlug ihm das Herz bei jedem Schritt,
Und das Ränzel drückte ihn.
Die Gasse war so lang, so lang,
Und dazu noch die Stimme, die über ihm sang:
Wann's Mailüfterl weht!
Jetzt bog sich ein Fliederstrauch über den Zaun,
Und die Mutter Gottes, aus Stein gehau'n,
Stand weiß vor dem Domportal.
Hier stand er eine Weile still
Und hörte, wie eine Dohle schrill
Hoch oben ums Turmkreuz pfiff.
Dann löschte links in dem kleinen Ahaus
Der Löwenwirt seine Lichter aus,
Und die Domuhr schlug langsam zehn.
Die Brunnen rauschten wie im Traum,
Die Nachtigall schlug im Lindenbaum,
Und alles war sie sonst!
Da riß er die Rose sich aus dem Rock
Und stieß sie ins Pflaster mit seinem Stock,
Daß die Funken stoben, und ging.
Das Lämpchen flackerte rot überm Tor,
Und der Wald, in den sich sein Weg verlor,
Stand schwarz im Mondlicht da ...
Erst droben auf dem Heiligenstein
Fiel ihm noch einmal alles ein,
Als der Weg um die Buche bog.
Die Blätter rauschten, er stand und stand
Und sah hinunter unverwandt,
Wo die Dächer funkelten!
Dort stand der Garten und dort das Haus,
Und jetzt war das aus, und jetzt war das aus,
Und - die Dächer funkelten!
Sein Herz schlug wild, sein Herz schlug nicht fromm:
Wann i komm, wann i komm, wann i wiederkomm!
Doch er kam nie wieder.
Quelle: Abipur
© Daniel Fix Music
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